Das Nachrichtenportal für Neumarkt/OPf.
Freitag, 29.03.2024 / 07:00:48 Uhr
Neumarkt/OPf.

5° C

 Nachrichten / Überregional

Forschung trifft Praxis in Nürnberg

29.04.2022 Nürnberg.

Wichern-Dialog am 27. April beleuchtete aktuelle Themen der Sozialen Arbeit

Aktuelle Forschungsergebnisse aus der Sozialen Arbeit standen im Mittelpunkt des vierten Wichern-Dialogs am Mittwoch, 27. April, der als Hybrid-Veranstaltung via Zoom sowie vor Ort an der evangelischen Hochschule in Nürnberg stattfand. Veranstalter war wie schon in den vergangenen Jahren das Wichern-Institut für diakonische Praxisforschung und Konzeptentwicklung, eine Kooperation der Evangelischen Hochschule Nürnberg und der Rummelsberger Diakonie e.V.

Als „Spitzen“ der Kooperation begrüßten Hochschul-Präsidentin Frau Prof. Dr. Barbara Städtler-Mach gemeinsam mit Finanzvorstand Dr. Tobias Gaydoul der Rummelsberger Diakonie alle Teilnehmenden. Die Themen „selbstverantwortliches Lernen“ und die Biografische Arbeit mit minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen seien gerade in der aktuellen Zeit sehr bedeutend.

Diakonin Katharina Keinki aus dem Handlungsfeld „Bildung und Entwicklung“ der Rummelsberger Diakonie stellte zunächst die praktischen Aspekte des Forschungsprojektes zum selbstverantwortlichen Lernen an den Rummelsberger beruflichen Schulen vor. Dabei handelt es sich um den kontinuierlichen Prozess, dass Lernende ihr eigenes Potenzial entfalten und den eigenen Lernprozess nicht nur selbst gestalten und steuern, sondern auch Verantwortung dafür übernehmen. So sollen die Schüler*innen besser und zielgerichteter auf das spätere Arbeitsleben vorbereitet werden. Der wichtigste Aspekt war dabei unter anderem die Veränderung der Rolle der Lehrkräfte. Innerhalb des Projekts wurden die Lehrer*innen zu einer Entwicklungsbegleitung sowie zur „Motivatorin, Begleiterin und Inspiratorin“, berichtet die Lehrende Corinna Fahnroth von der Rummelsberger Fachakademie für Sozialpädagogik in einem Video.

Im Anschluss an die praktischen Erfahrungsberichte stellte Prof. Dr. Markus Schaer die wissenschaftlichen Erhebungen des Wichern-Instituts über das Konzept vor. Diese Zahlen werden von 2018 bis 2024 durch jährliche Befragungen von den Lernenden durch das Wichern-Institut erhoben. Dabei beantworten die Schüler*innen beispielsweise Fragen zu ihrer Lernmotivation. Durch insgesamt 218 Datensätze konnten positive Veränderungen festgestellt werden. So hatte das selbstverantwortliche Lernen einen positiven Effekt darauf, inwiefern Schüler*innen einen Sinn in den Unterrichtsinhalten erkennen. Ferner steigerte diese Lernmethode die Motivation der Schüler*innen, etwas Neues zu erlernen sowie das Empfinden der Unterrichtsqualität. Fremdgesteuertes Lernen hatte dagegen einen negativen Einfluss auf die individuellen Unterrichtsmerkmale der Lernenden. Im Anschluss an die Präsentation beantworteten Diakonin Keinki und Prof. Dr. Schaer noch Fragen der Teilnehmenden.

Der zweite Teil des Wicherndialogs am späten Vormittag gab methodische Anregungen für die Praxis, zur biografischen Arbeit mit unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten. Im Vortrag wurden die Ergebnisse der qualitativen Längsschnittstudie zur Lebenssituation von unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten vorgestellt und vor allem methodisch im Hinblick auf die Unterstützung der biografischen Arbeit der Jugendlichen reflektiert. Maria Kakoschke, Referentin der Forschungsergebnisse, stellte bei ihren Ausführungen die Tatsache in den Mittelpunkt, dass Biografiearbeit nicht nur Erinnerungsarbeit, beispielsweise wie im Bereich der Altenhilfe ist, sondern auch durch erzählerische Hinwendung zu und mit Jugendlichen, eine Reflexion von biografischen Prozessen möglich ist. Forschungsarbeit, so auch Biografiearbeit, stellt den Menschen ins Zentrum und macht ihn bedeutsam. So gelingt es beispielsweise Jugendlichen mit Fluchterfahrung, mehr Verständnis für die eigene Situation zu erlangen und wieder handlungsfähig zu werden. An dieser Stelle wird immer wieder die Bedeutsamkeit der Beziehung zwischen den Mitarbeitenden in der Jugendhilfe und den Jugendlichen betont.

Das vorgestellte Forschungsthema ist durch den Krieg in der Ukraine, auch im gesellschaftlichen Diskurs, wieder mehr in den Fokus der Gesellschaft gerückt. Diakon Werner Pfingstgraef, Dienststellenleitung der Rummelsberger Jugendhilfe in Fürth, betont, dass die gegenwärtige Situation nicht durchaus mit Sorge begleitet ist, da der Status der Menschen, die aus der Ukraine flüchten müssen, einen anderen ist, wie bei der Flüchtlingskrise im Jahr 2011. Ukrainische Flüchtlinge sind von der Notwendigkeit eines Aufenthaltstitels befreit. Dennoch betont Diakon Werner Pfingstgraef im gemeinsamen Austausch, auch die Sorge um eine Zweiklassengesellschaft von Flüchtlingen. Er zitiert einen jungen syrischen Mann, der ihn mit seinen Worten persönlich sehr bewegt hat: „Bomben die auf uns geworfen wurden waren auch russische Bomben. Warum brauche ich ein Asylverfahren? Warum brauche ich eine Arbeitserlaubnis? Warum?“

Olaf Forkel, Geschäftsführer des Wicherninstituts, greift diesen Punkt in seinen abschließenden Worten nochmals auf und appelliert zum achtsamen Umgang miteinander: „Seid achtsam im Umgang mit Menschen, die von weit herkommen und viel verloren haben.“

 

« zurück


Diese Themen könnten Sie auch interessieren: