Das Nachrichtenportal für Neumarkt/OPf.
Montag, 29.04.2024 / 20:31:24 Uhr
Neumarkt/OPf.

20° C

 Nachrichten / Stadt

Neue Impulse für eine nachhaltige Stadtentwicklung

10.05.2016 Neumarkt.

„Klimaschutz durch neue Wege beim Bauen und Wohnen“ - der Titel der 7. Neumarkter Nachhaltigkeitskonferenz klang vielversprechend. Jedoch war es nicht der Anspruch, jede einzelne Facette des nachhaltigen Bauens und Wohnens zu betrachten, sondern vielmehr Impulse zu geben. So konnten die rund 90 Gäste hochkarätigen Rednern lauschen und durchaus neue Sichtweisen gewinnen. Eines wurde dabei deutlich – nachhaltiges Bauen bedarf zwar technischer Innovationen. Sollen nachhaltige Städte und Gemeinschaften entstehen, müssen jedoch vielmehr soziale Lern- und Gestaltungsprozesse erfolgen. In einem ersten Teil beschäftigten sich Prof. Dr. Uwe Schneidewind und Prof. Ing. Alexander Rudolphi mit der „Stadt der Zukunft“ bzw. mit dem „Haus der Zukunft“. Es wurde also sowohl der Maßstab der gesamten Stadt als auch der Maßstab eines einzelnen Gebäudes betrachtet. Trends, Handlungsfelder und insbesondere auch die Frage: Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit – ein Widerspruch? standen dabei im Vordergrund. Schneidewind, Präsident des renommierten Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie, machte zunächst den ganz großen Umriss der zukünftigen Herausforderung. Es gelte, 10 Milli-arden Menschen ein Leben in Wohlstand unter Beachtung der ökologischen Leitplanken zu ermöglichen! Die Weltgemeinschaft sei auf einem guten Weg, denn bei den letzten großen Konferenzen in New York und Paris haben sich die Staaten der Erde auf gemeinsame Ziele verständigt. Die Menschheit habe sogar einen gewaltigen Fortschritt dabei gemacht und habe ein gemeinsames „globales Verständnis“ und einen allgemeingültigen „humanitären Anspruch“ entwickelt. Das Bild über die „Stadt der Zukunft“ umschrieb Schneidewind damit, dass es darauf ankäme, polyzentrisch bzw. dezentral zu planen und zu bauen. Dies hätte den nachhaltigsten Entwicklungsansatz, denn daraus erwachse ein Miteinander von dicht bebauten Flächen und ländlichen Strukturen mit größeren, mittleren und kleineren Siedlungen, was zahlreiche Vorteile mit sich bringe, wie z.B. einen regionalen Nahverkehrsverbund oder vielfältige Möglichkeiten bei der Energieerzeugung. Eine weltweite Homogenisierung der Städte dagegen, bei der z.B. die Fußgängerzonen mittlerweile auf jedem Kontinent gleich ausschauen, führe zu einem radikalen Nachlassen der Identifikation der Bürger mit ihrer Stadt. Umso wichtiger seien die Eigenart einer Stadt und der Mut, einen eigenen Entwicklungsweg zu wählen, bei dem die Bürgerinnen und Bürger intensiv an der Mitgestaltung beteiligt sind. Neumarkt könne hier sehr wohl als „Zukunftsmodell“ stehen, bei dem Vieles in diesem Sinne bereits heute umgesetzt werde. Prof. Alexander Rudolphi, Präsident der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen mit über 1.200 Mitgliedern weltweit, knüpfte an seinen Vorredner an und machte zugleich deutlich, dass er kein futuristisches Foto des „Hauses der Zukunft“ zeigen kann, denn zu ungewiss seien zukünftige technische Entwicklungen. Er wolle jedoch Ansätze deutlich machen, was nachhaltiges Bauen konkret bedeutet. Zunächst verdeutlichte auch er noch einmal die Brisanz in Bezug auf den Handlungsdruck, denn 19 % der Weltbevölkerung habe keinen Wohnraum zur Verfügung und 33 % der Menschen leben in Slums. Deshalb plädiert Rudolphi zunächst für Wachstum in Bezug auf Wohnen, Energie, Ver- und Entsorgung, Gesundheits- und Infrastruktur. Er betonte jedoch auch, dass der Bausektor zu 30 % für den CO2-Ausstoß, zu 17 % für den Was-serverbrauch und für 40 bis 50 % für den Rohstoffverbrauch verantwortlich sei. Neben einer größeren Effektivität bei der Bedarfsdeckung muss daher der Ressourcenverbrauch drastisch gesenkt werden. Rudolphi beschrieb Verlagerungseffekte, durch die die Umwelt in Deutschland und Europa zwar sauberer wird, aber durch industrielle Prozesse in Asien das Umweltproblem zunehme. Auch der sogenannte „Rebound-Effekt“ sorge dafür, dass Umweltprobleme weiter bestehen bleiben oder sich sogar verschärfen. „Effizient ist nicht gleich effektiv“ mahnte Rudolphi. Fortschritte bei der Energieeffizienz würden durch immer höhere Technisierung wieder „aufgefressen“. In Bezug auf das nachhaltige Bauen sei festzustellen, dass sich die globalen und nationalen Klimaschutzziele nicht in der aktuell gültigen EnEV (Energieeinsparverordnung) niederschlagen, denn weder der „Rebound-Effekt“, noch der Lebenszyklusansatz, d.h. die Umweltbelastungen der Baubestandteile über die gesamte Lebensspanne des Gebäudes, werden hier abgedeckt. Ein erfolgsversprechender Ansatz  für den Klimaschutz in Deutschland sei die quartiersbezogene Betrachtungsweise, denn bei einer Neubauquote von 1 bis 2 % sei es effektiver, im Bestand tätig zu werden. Hier schloss sich der Kreis zum Vortrag von Prof. Schneidewind, denn gerade auf Quartiersebene lassen sich die Menschen am besten ansprechen und an der Entwicklung beteiligen. Schließlich zeigten Holger König, Architekt aus Gröbenzell und Ralf Bermich, Abteilungsleiter Klimaschutz und Energie bei der Stadt Heidelberg noch einige Praxisbeispiele auf. Diese zeichneten sich durch Innovation und Nachhaltigkeit erster Güte aus. Sie verdeutlichten, dass nach-haltiges Bauen mit Passiv- und Plus-Energiegebäuden keine Zukunftsmusik mehr sind. König bezog sich dabei auf die von Rudolphi bereits angesprochene Methodik des „Bauens im Lebenszyklus“. Anhand mehrerer Schulbauprojekte konnte er nachweisen, dass bei entsprechender Auswahl der Baustoffe, des Heizungssystems und der Baumethodik neben der Schadstoffminimierung  bis zu rund 80 % Energie eingespart werden kann. Anhand einer Plus-Energie-Schule wurde durch eine „Energie-Gutschrift“ durch den Einsatz von Photovoltaik sogar eine positive Energiebilanz erreicht. König verdeutlichte neben dem ökologischen auch den ökonomischen Nutzen bei der Anwendung des Lebenszyklusansatzes. So stehen z.B. den Mehrkosten bei einem Schulbauprojekt in Höhe von 4 Mio. Euro Ersparnisse bei den laufenden Kosten in Höhe von 17,5 Mio. Euro über einen Zeitraum von 50 Jahren gegenüber. Bermich lenkte in seiner Betrachtung den Blick vom Einzelgebäude erneut auf den Gesamtzusammenhang in einer Stadt bzw. eines Stadtteils. Die sogenannte „Bahnstadt“ in Heidelberg, die auf einem ehemaligen Güterbahnhofsgelände entstanden ist, bietet in zentraler Lage Raum für Wohnen, Wissenschaft und Wirtschaft. Mit der im Passivhaus-Standard konzipierten Bauweise und einem nachhaltigen Energiekonzept mit Fernwärme aus einem Holz-BHKW nimmt die Bahnstadt eine Vorreiterrolle in der ökologisch nachhaltigen Stadtentwicklung ein. Mit 116 ha zählt die Bahnstadt zu den größten Stadtentwicklungsprojekten in Deutschland. Das Investitionsvolumen aller öffentlichen und privaten Bauprojekte in dem Areal wird auf rund zwei Milliarden Euro geschätzt. Bermich zeigte auch auf und bestätigte damit u.a. auch die Aussagen von Prof. Schneidewind, dass es darauf ankomme, dass die Bewohner eine hohe Identifikation mit ihrem Stadtteil entwickeln. In der abschließenden Fragerunde vertieften die Referenten die angesprochenen Themen und beantworteten die zahlreichen Fragen der Konferenzgäste. Dabei wurde u.a. auch deutlich, dass es in Zukunft darauf ankomme, Menschen „mitzunehmen“ und zu beteiligen. Es gehe dabei darum, Modellprojekte wie Passiv- und Plus-Energiehäuser oder Stadtentwicklungsprojekte wie die Bahnstadt in Heidelberg in die Breite zu bekommen. Würde dies noch mit dem „Suffizienzansatz“, d.h. einer entschleunigten Lebensweise nach dem Motto „Gut leben statt viel haben“ gepaart werden, wäre die „Stadt der Zukunft“ perfekt.



Neben den Referenten Holger König (1.v.l.), Prof. Ing. Alexander Rudolphi (3.v.l.)und Prof. Dr. Uwe Schneidewind (5.v.l.) konnten Oberbürgermeister Thomas Thumann (2.v.l.) und Stadträtin und Nachhaltigkeitsreferentin Ruth Dorner (4.v.l.) auch Staatssekretär Albert Füracker (7.v.l.) und Landrat Willibald Gailler (6.v.l.) bei der 7. Neumarkter Nachhaltigkeitskonferenz begrüßen. Foto: Stadt Neumarkt

 

« zurück


Diese Themen könnten Sie auch interessieren: