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Kammern sehen TTIP als Chance für heimische Wirtschaft

15.07.2015 Regensburg, Neumarkt.

TTIP-Roadshow gastiert in der Handwerkskammer in Regensburg

Seit knapp zwei Jahren verhandeln die Europäische Union und die USA das Freihandelsabkommen TTIP. Noch sind viele Punkte unklar – zwischen den Verhandlungspartnern, aber auch bei den betroffenen Unternehmen. Vor diesem Hintergrund veranstalten die bayerischen IHKs und Handwerkskammern in Kooperation mit dem Bayerischen Wirtschaftsministerium von Mai bis November 2015 eine bayernweite TTIP-Veranstaltungsreihe, die nun auch bei der Handwerkskammer in Regensburg gastierte. Ziel des Austausches: Gemeinsam mit den Unternehmern vor Ort hinter die Kulissen dieses handelspolitischen Vorhabens blicken sowie Anregungen, aber auch Bedenken der Mitgliedsbetriebe erfassen, um sie in die konkreten Verhandlungen einfließen zu lassen.

Dr. Georg Haber, Präsident der Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz, sagte in seinem Impulsreferat, dass das Freihandelsabkommen gerade für das rohstoffarme Bayern eine besondere Relevanz habe. Kleine und mittlere Unternehmen aus Ostbayern seien viel häufiger auf dem US-Markt aktiv, als man denke – als Zulieferer von Komponenten oder Exporteur verschiedenster Produkte. Im letzten Jahr seien die USA Bayerns wichtigster Exportmarkt gewesen. Doch klagten die Betriebe oft über Handelshemmnisse. „Die Anerkennung gleicher Standards durch TTIP schafft erhebliche Erleichterungen und Kostenvorteile“, war sich Haber sicher. Für die heimischen Betriebe würden sich so neue Chancen ergeben. Angst vor Billigprodukten halte er für unbegründet. Schließlich sei auch die EU nichts anderes als ein großer Freihandelsraum. Er sehe die bayerische Wirtschaft für TTIP bestens gerüstet. „Leider beruht ein Großteil der Diskussionen nach wie vor auf vagen Befürchtungen“, so der Präsident weiter.

Aus Unternehmenssicht beurteilte der Exportleiter der Zollner Elektronik AG in Zandt Thomas Schreiner die momentanen Handelsbedingungen mit den USA als schwierig. Große Hemmnisse gebe es beispielsweise bei der Einreise, Entsendung und der Arbeitserlaubnis von Mitarbeitern. Darüber hinaus seien die regulatorischen Hürden betreffend Normen und Standards in den USA sehr hoch. „Die Zulassungsverfahren im Bereich Medizintechnik sind völlig anders als in Deutschland. Dadurch entstehen Kosten in einem sechsstelligen Bereich.“

Als Experte zum Thema Normierung konnte Edwin Schmitt vom TÜV Rheinland detailliert Auskunft geben. Die größten Barrieren im Handel mit den USA seien spezifische Zertifizierungen, Normen und Regulierungen. „TTIP bemüht sich vor allem in sieben Wirtschaftszweigen um eine Harmonisierung. Dies stellt jedoch eine große Herausforderung dar, weil die Herangehensweisen der Länder oft sehr unterschiedlich sind.“

Dr. Alfred Brunnbauer, Leiter der Außenwirtschaftsabteilung der IHK Regensburg, machte deutlich, dass die Anpassung der Regularien an EU-Niveau Jahre dauern kann. „Die Unternehmen brauchen neben Zollvergünstigungen vor allem weniger Bürokratie.“ Strukturen und Informationen im Außenhandel, so Brunnbauer, müssten übersichtlich und verständlich sein.

Einen gesamtheitlichen Blick auf die Diskussion warf Sebastian Heinrich, Redakteur der Politredaktion der Mittelbayerischen Zeitung. Er sieht eine starke Emotionalisierung des Themas. „Auf der einen Seite gibt es eine absolute Dämonisierung, auf der anderen Seite eine unangemessene Überhöhung der Erwartungen. TTIP stellt eine riesige Projektionsfläche für die fundamentalen Ängste der Menschen dar.“ Heinrich plädierte für eine faktenbasierte Argumentation, wozu der eingeschlagene Weg der Transparenz weitergeführt werden müsse.

Genau auf diese Transparenz wies auch Michael Gotschlich, Referatsleiter im Bayerischen Wirtschaftsministerium, hin. Es gebe ausreichend Informationsmaterial für Interessierte, „das eben auch genutzt werden müsste“. In der Gesellschaft herrsche oft die Meinung vor, mit TTIP würden sämtliche Vorschriften abgeschafft, das stimme allerdings nicht, denn „TTIP heißt nicht vogelfrei“. Für Wirtschaft, Wohlstand und Arbeitsplatzangebot sei eine Öffnung der Märkte wichtig, „aber wir müssen auf eine mittelstandsfreundliche Ausgestaltung achten“.

Um diese zu erreichen, forderte der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Toni Hinterdobler die anwesenden Unternehmer dazu auf, mit konkreten Anfragen und Vorschlägen auf die Kammer zuzukommen. Die Wirtschaftskammern verstehen sich als Mittler zwischen den Unternehmen und den Entscheidungsträgern. „Damit die Gestaltung der Inhalte in Ihrem Sinne geschehen kann, ist Input nötig. Bitte teilen Sie uns Ihre Forderungen an TTIP mit, wir werden diese nach Brüssel kommunizieren und deren Umsetzung konkret verfolgen.“

Die Wirtschaftskammern und das Bayerische Wirtschaftsministerium informierten zu TTIP (v. li. n. re.): HWK-Präsident Dr. Georg Haber, HWK-Hauptgeschäftsführer Toni Hinterdobler, Referatsleiter im Bayerischen Wirtschaftsministerium Michael Gotschlich, Sebastian Heinrich, Redakteur der Politredaktion der Mittelbayerischen Zeitung, Edwin Schmitt vom TÜV Rheinland, Leiter der Außenwirtschaftsabteilung der HWK Ludwig Rechenmacher, Exportleiter der Zollner AG Thomas Schreiner und Leiter der Außenwirtschaftsabteilung der IHK Dr. Alfred Brunnbauer. Foto: Graggo

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