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Der gehörnte Monoposto - Rennsport mit Käfertechnik in der Formel V

11.05.2016 Neumarkt.

 
Beim diesjährigen Neumarkter Oldtimertreffen am 05. Juni 2016 gastiert auf dem Residenzplatz die Vereinigung „Historische Formel Vau Europa“. Die Formel V war einst die weltweit größte Nachwuchsrennserie, ist aber heute weitgehend unbekannt, weil sie bereits seit 34 Jahren Geschichte ist. Doch wer steckte dahinter, und wie sahen die Autos aus? Weil die Amerikaner zum VW Käfer stets eine besondere Beziehung pflegten, begann das Ganze in den USA. Das populäre Krabbeltier machte in der Neuen Welt kleine europäische Autos salonfähig, besiegte im Film als Alleskönner „Herbie“ Bösewichte und Boliden und machte schließlich den Motorsport-Nachwuchs mobil. Dazu hat es sich umgezogen wie ein Großer, die kugelige Familienkarosse abgelegt und sich in ein fesches Monoposto-Gewand gestürzt wie es einem Formel-Rennwagen gebührt. Die Formel V war geboren – deshalb auch Vau wie VW, nicht Fünf.
 
Rennserie für den Nachwuchs
1957 hatten sich in Florida zufällig der Deutsche Josef Hoppen und der Amerikaner Hubert L. Brundage getroffen und sich Gedanken über preiswerten Motorsport mit Monoposti, also einsitzigen Rennwagen, gemacht. 1959 stand das Formel V-Konzept, 1963 startete in den USA die erste Formula-Vee-Meisterschaft. Zwei Jahre später waren keine Geringeren als Ferry Porsche und sein legendärer Rennleiter Huschke von Hanstein in den Staaten unterwegs, nahmen – begeistert von der Idee – zehn Autos mit nach Deutschland und schickten sie mit Unterstützung des damaligen VW-Chefs Carl Horst Hahn auf Promotion-Tour. Was dann folgte, verbreitete sich mit mehr als 3.000 Fahrzeugen rund um den Erdball und währte bis 1982. Die Optik war für ein Wettbewerbsfahrzeug zu Anfang ein wenig gewöhnungsbedürftig, denn wo Käfer drinsteckte, das sah auch nach Käfer aus. Vor allem die Vorderradaufhängung mit der serienmäßigen Kurbellenkerachse und ihren hoch aufragenden Achsbrücken ließ den kleinen Flitzer aussehen, als seien ihm Hörner gewachsen. Die erste Generation trieben 1.200 bzw. 1.300 ccm große Einvergasermotoren an, die zwischen 40 und 75 PS leisteten und die 375 Kilo leichten Autos auf rund 160 km/h beschleunigten. Auch Lenkgetriebe, Bremsanlage, Kraftübertragung und die 15 Zoll großen Stahlfelgen spendierte der VW Käfer in unveränderter Form.
 
Die Zeit der wilden Reiter
Den ersten amerikanischen Konstruktionen namens „Beach“ und „Formcar“ folgten rasch europäische Konstruktionen, vorwiegend aus dem deutschsprachigen Raum. So baute unter anderem Heinz Fuchs aus Rutesheim bei Stuttgart den „Fuchs“, die MAHAG aus München (führender VW-Händler) den „Olympic“, Porsche Salzburg den „Austro Vau“. Der Wiener Kurt Bergmann konstruierte den „Kaimann“, und in Belgien entstanden die „Apal“. Derart beflügelt, fuhr die Formel V bald auf allen bekannten Rennstrecken Europas und wurde schnell zum Talentschuppen des großen Motorsports: Fahrer wie Niki Lauda, Dr. Helmut Marko (heute Motorsportchef bei Red Bull Racing), Dieter Quester, Harald Ertl und viele andere legten hier den Grundstein für ihre Karrieren. Bis zu 70 Starter stürzten sich in teils haarsträubende Schlachten und prägten den Ruf der „wildesten Rennserie aller Zeiten“.
 
Weltmeisterschmiede
Anfang der siebziger Jahre kam mit der Formel V 1300 ein wichtiger Entwicklungsschritt. Das Reglement blieb zwar „käfernah“, wurde aber zunehmend geöffnet. Die Motorleistung stieg auf etwa 100 PS, Veränderungen an der Vorderachse, Scheibenbremsen vorne (!) und Leichtmetallfelgen ließen die kleinen Formel-Renner jetzt fast wie ihre großen Brüder aussehen. Das galt erst recht für die 1971 debütierende Formel Super V 1600, bei der Vorderachsen und andere Teile aus dem Käfer reinen Rennsportteilen weichen mussten. Motor und Fahrwerksteile entstammten dem „großen“ VW 411 (Spitzname Nasenbär) bzw. dem VW-Porsche 914 und durften durchweg bearbeitet werden. Mit diesen „richtigen“ Rennwagen, die zwischen 120 PS und 140 PS leisteten und bis zu 230 km/h rannten, empfahlen sich unter anderem die späteren Weltmeister Emerson Fittipaldi und Nelson Piquet sowie Jochen Maas und der zweifache Vize-Weltmeister Keke Rosberg. Dessen Sohn Nico Rosberg führt derzeit in der Wertung um die Fahrerweltmeisterschaft der Formel 1.
Ende der siebziger Jahre ging bei VW den luftgekühlten Boxermotoren allmählich die Luft aus. 1978 verstummte denn auch in der Formel Super V das Rauschen der Kühlgebläse, die wassergekühlten Motoren der „Generation Golf“ eroberten den Rennsport. Da bis auf Bremsanlage und Achswellen nahezu alle anderen Teile freigestellt waren und die Motorleistung bis auf 185 PS kletterte, rückte die Formel Super V jedoch zu nahe an die populäre Formel 3 heran – 1982 war dann endgültig Schluss mit dieser grandiosen Nachwuchsserie.
 
Foto: privat
 
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