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Die Energieversorgung der Zukunft ist dezentral - Fachtagung zu Netzausbau und Erdverkabelung

15.04.2016 Beilngries.

Fachtagung zu Netzausbau und Erdverkabelung – Austausch zu offenen Fragen
 
Zuverlässig, nachhaltig, umweltverträglich und preisgünstig – das sind die Anforderungen an die Energieversorgung von morgen. „Dezentrale Energiekonzepte mit Bioenergie, Biogas, Photovoltaik, Wind- und Wasserkraft können die Energieversorgung zukunftsfähig machen“, machte Walter Heidl, Präsident des Bayerischen Bauernverbandes, im Rahmen der vom BBV organisierten Fachtagung „Netzausbau und Erdverkabelung“ in Beilngries deutlich.
 
Denn gerade Bioenergieanlagen können flexibel Strom erzeugen, nämlich dann, wenn er benötigt wird. „Durch die Vernetzung von vielen dezentralen Anlagen kann die Eigenversorgung erhöht, Strom flexibel erzeugt und das Netz durch den Einsatz von Energiespeichern entlastet werden. Angesichts der anstehenden Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes 2016 ist es unerlässlich, eine Korrektur des jährlichen Ausbauziels von 100 MW brutto auf 100 MW netto vorzunehmen. Nur so kann ein moderater Zubau von Bioenergieanlagen erreicht werden“, betonte Heidl.
 
Der BBV fordert deshalb, dass im Erneuerbare-Energien-Gesetz 2016 unbedingt Regelungen für Bioenergieanlagen aufgenommen werden. „Nur so kann eine Perspektive für Bestands- und für Neuanlagen geschaffen und die Zukunft dieser, für die Versorgungssicherheit so wichtige Energieform gesichert werden.“
 
Derzeit wird im Norden Deutschlands mehr Strom erzeugt als im Süden. Das liegt vor allem an der hohen Anzahl der Windkraftanlagen. Um einen Ausgleich zu schaffen und die Energieversorgung bundesweit sicherzustellen, hat die Bundesregierung den Bau großer Stromtrassen im Übertragungsnetzbereich beschlossen. Der größte Teil der geplanten Stromleitungen soll auf land- und forstwirtschaftlichen Flächen verlegt werden. Auch in Bayern sind tausende Landwirte und Grundstückseigentümer betroffen. Doch beim Netzausbau und der geplanten Erdverkabelung sind noch viele Fragen offen. Dort, wo neue Leitungstrassen entstehen müssen, fordert der Bauernverband die frühzeitige Einbindung und die Berücksichtigung der Anliegen der Betroffenen: „Letztlich müssen gemeinsam mit ihnen vor Ort Lösungen gefunden werden. Es reicht nicht, mit protestierenden Bürgerinitiativen zu verhandeln. Entscheidend sind in erster Linie die betroffenen Grundeigentümer und Landwirte“, sagte der bayerische Bauernpräsident. „Wir werden alles dafür tun, dass auch Landwirte und Grundbesitzer mit den Lösungen leben können.“
 
Verzicht auf Ausgleichsflächen nötig
Der Bauernverband setzt sich seit Jahren für Flächenschutz ein, doch mit den neuen Stromtrassen würden der Landwirtschaft nicht nur die Felder und Wiesen verloren gehen, auf denen tatsächlich Leitungen entstehen. Zusätzlich wären für die Baumaßnahmen ökologische Ausgleichsflächen nötig. Der Bayerische Bauernverband fordert, dass bei der Energiewende und dem dafür nötigen Netzausbau komplett auf ökologischen Ausgleich verzichtet wird. Aus gutem Grund: „Wenn aufgrund der Energiewende schon eine Inanspruchnahme durch zusätzliche Leitungen nicht verhindert werden kann, so werden wir nicht zulassen, dass Bauern im Zuge einer ökologischen Maßnahme auch durch ökologische Ausgleichsflächen belastet werden. „Hier darf es auch keinen Ausgleich in Geld geben, der dann wieder für Flächenkäufe verwendet wird“, forderte der BBV-Präsident. Verständnis dafür äußerte der bayerische Wirtschafts- und Energiestaatssekretär Franz Josef Pschierer. „Wir gehen davon aus, dass im Rahmen der Erdkabel-Projekte durch die Bayerische Kompensationsverordnung eine größtmögliche Reduzierung von Ausgleichsflächen ermöglicht wird, können jedoch in Bayern nicht über einen kompletten Wegfall entscheiden.“
 
Eine wichtige Voraussetzung für die Akzeptanz auf dem Land sieht Heidl in den Entschädigungen. „Nur wenn statt der einmaligen Zahlungen endlich angemessene und wiederkehrende Zahlungen fließen, kann der Netzausbau gemeinsam mit den Eigentümern und Bewirtschaftern umgesetzt werden“, so Heidl. Auch Dr. Wolfgang Krüger vom Deutschen Bauernverband unterstrich dies. „Wer fremden Grund und Boden nutzt und damit Ertrag erwirtschaftet, muss auch diejenigen daran teilhaben lassen, die diese Möglichkeit erst mit ihrem Eigentum eröffnen und letztendlich sogar zulassen müssen.“ Zustimmung fanden diese Forderungen bei Staatssekretär Pschierer. „Eine angemessene Entschädigung für die Grundeigentümer ist eine Grundvoraussetzung“, sagte er. Es müsse sichergestellt werden, dass alle entstehenden Nachteile finanziell vollständig ausgeglichen werden.
 
In einer Podiumsdiskussion wurden die verschiedenen Verfahren des Stromleitungsausbaus im Übertragungsnetz diskutiert. Dabei wurden die Vor- und Nachteile von Freileitungen und Erdkabeln beleuchtet. „Im Bereich der Gleichstromübertragung ist der Vorrang der Erdverkabelung durch das Bundesbedarfsplangesetz (BBPlG) vorgegeben, der Einsatz von Freileitungen ist hier nur im Ausnahmefall möglich. In Siedlungsnähe sind Gleichstrom-Freileitungen ausgeschlossen. Im Bereich der Wechselstromübertragung sind Freileitungen vorrangig zu verbauen, Erdverkabelung wird hier nur anhand von wenigen Pilotprojekten erprobt“, erklärt Dr. Ursula Heimann von der Bundesnetzagentur.
 
Die von der Tennet TSO GmbH vorgestellte Erdkabelverlegung von Gleichstromleitungen, die derzeit bei der Anbindung des Offshore Windparks „BorWin“ an das Höchstspannungsnetz angewandt wird, sorgte für reichlich Diskussionsstoff und Fragen. Dabei werden Gleichstromkabel in circa 2 Meter Tiefe verlegt, was allerdings während der Bauphase eine große Fläche mit einem Streifen von bis zu 40 Meter in Anspruch nimmt. Viele Grundstückseigentümer äußerten zudem Bedenken hinsichtlich der Bodenerwärmung. Ein Vertreter der Amprion GmbH machte deutlich, dass in Abhängigkeit der örtlichen Gegebenheiten eine individuelle Lösung gefunden werden muss.
 
Im Vergleich zu den von den Übertragungsnetzbetreibern Tennet TSO GmbH und Amprion GmbH vorgestellten Verfahren stellte der Geschäftsführer der Walter Föckersperger GmbH ein Verlegepflugsystem vor, mit welchem die Kabelverlegung in nahezu jedem Gelände bodenschonend möglich sei. Daneben präsentierte lngo Rennert von der Infranetz AG ein Fräsverfahren, mit dem Kabel in nur 0,76 Meter breiten Gräben verlegt werden können. Beim letztgenannten Verfahren liegen allerdings noch keine Erfahrungswerte im Höchstspannungsnetz vor.
 
An der Fachtagung des Bayerischen Bauernverbandes, des Bayerischen Waldbesitzerverbandes und des Verband der Bayerischen Grundbesitzer nahmen mehr als 110 Personen teil, vor allem betroffene Landwirte und Grundbesitzer sowie Experten aus Reihen der Wissenschaft, Politik, Kommunen, Verwaltung und der Netzbetreiber. 
 
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